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Tomislav Marijan Bilosnić: GEBET DES HEILIGEN FRANZISKUS

Tomislav Marijan Bilosnić
GEBET DES HEILIGEN FRANZISKUS

Möge uns Gott Frieden geben
die Erde zum Erbe den Vögeln
Damit wir Freundschaft schließen mit den Tieren.

Möge uns Gott Frieden geben
Mit einem Kreuz aus Körper und Flügeln
Damit im Tode die winzigsten Wesen unsere Freunde sind.

Mein heiliger Franziskus, wenn du
auf den Weg dich machst ins Gebirge
sollen alle Vögel aus den Bergen
zu den Feldern niederfliegen.
So will es Gott, dass Engel und Vögel
Die Fenster öffnen zu jedem Gräslein
Damit die Halme leuchten wie das Gefieder junger Sterne

Gezwitscher soll mich wecken
Wie der Strom des Wassers
Gezwitscher soll mich erregen
Wie das Knistern des Feuers
In der Umarmung Deiner Flügel

Bitte lass die Vögel nicht verstummen
Auch am Abend nicht
Wenn die Schafe blöken
Im Glas versteckt kann ich sie nicht ertragen
Nicht die Zunge ausstehen, die am Metall leckt.
Bitte, lass im Gedächtnis bleiben
Die Kolibris, die den Nerven gleich
Unter schweren Sorgen zittern.
Möge ins Gedächtnis geschrieben sein
Wie wir die Ameisen durch Sandhaufen schützen
Inmitten der Menge der Leute.
Meine Schwächen sollen bekannt bleiben
Wie das gemeinsame Erwachen der Würmer und Falter.
Meine Qualen soll man sich merken
Ähnlich dem Wind, der gleich dem Esel schreit.

Den Weg suchend auf dem du schrittest
mit Wolf und Schaf neben dir,
sah ich einen Fisch unerreichbar wie ein Vogel
sah ich Esel und Wespe in gleichen Qualen,
eine weiße Wolke, die unsere Seele zum Himmel trägt.

Gibt es schöneres als die Furcht vor dem Tiger
Als diese Geschichte
An deren Ende die Spinne ihr Netzt webt
Mit der Helligkeit des Falters
Der mit der Morgenröte auffliegt.

Möge uns Gott Frieden geben
Auf dass es unserer Familie nicht mangelt
An Insekten
Unter denen Stiere ihre schweren Köpfe senken.

Möge uns Gott solchen Frieden geben
dass der Spatz uns keinen Augenblick Ruhe gibt
Sein tschilp- tschilp-tschilp
Unaufhörlich singend
Während wir von Einsamkeit geplagt
nicht hören das Bellen des Hundes.

Mögen die Fische die Erde erben
Mögen die Wespen die Erde erben
Auch die Ameisen
Und die Grillen.
Mögen die Wildpferde die Erde erben
Und die Fliegen
Die langsam über unseren Wunden schweben.
Mögen in meinem Garten
Die edlen Hähne wartend die Morgenröte ankünden
Krähend wie die Erinnerung

Mein heiliger Franziskus, Du bist
Neben jedem Geschöpf gegangen
Nur du hast mit jedem Geschöpf gesungen
Du hast in ihre Seelen geblickt
Die gleich einem Edelstein fern.
Du kennst die Geschichte der Stimmen
Im Ohr jedes Tieres der Wildnis
Und der Haustiere.
Genau kennst du den Namen der Ameise
Die in meinem Hofe
Den Stamm der alten Maulbeere empor kriecht
und sage mir bitte
ob es ihr besser geht als mir.

Wenn ich Falter spiele
Werde ich wahrlich nicht mehr die Raupe sehen
Die die ganze Nacht auf mich gewartet hat
Auf dem Zedernzweig
Des Andenkens.
Neben den Pferden schreitend
Die sich wie Schatten entfernen
Sehe ich ihre blendenden Hufe
In einer Staubwolke
Mit den Lämmern im Gespräche
Wartete ich auf die Sonne voller Zikaden und Ameisen.
Es strömten auch andere Kreaturen herbei
Schön wie das Bild des Jesuskindes.

Als ich in das Wasser schaute
Bedeckten Fische die öde Tiefe der Zeit.
Als ich zum Himmel schaute
Füllten Vögel die Tiefe des Raumes.
Als ich zur Erde schaute
Bedeckten Käfer
Die Einöde des Lebens.
Ich bitte Dich, mein heiliger Franziskus
Greife zum Geheimnis deiner Schlüssel
Öffne mein Herz damit ich Liebe zeigen kann
Dem ersten Geschöpfe im Staube
Den müßigen Schafen gleich auf der Straße.

Übersetzung: Ute Karlavaris-Bremer

Tomislav Marijan Bilosnić, Tirana (Snimio Željko Krnčević), 10.12. 2018.

Tomislav Marijan Bilosnić (Zemunik Donji bei Zadar, 1947) ein kroatischer Schriftseller, maler, Fotograf, Publizist und Jurnalist. Er schrieb über 140 Bücher: Prosa, Lyrik, Kritik, Feuilletons und Reiseberichte. Er hatte in seiner Heimat und im Ausland mehr als 80 Ausstellungen der Malerei und der Kunstfotografie in unterschiedlichen Techniken. Seine Werke wurden in über 20  Sprachen ubersetzt (darunter auch ins Russische und Japanische) und erzielten höchste Anerkennung. Allein seine Gedichtssammlung Der Tiger wurde in 14 Sprachen übersetzt. Er isti n Literaturzeitschriften, Sammelwerken, Anthologien, Lexiken und Schulbüchern vertreten, Er war Redakteur und Herausgeber mehrerer Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbände.

Er ist Mitglied zahlreicher bedeutender kroatischer und ausländischer Schriftstellervereine. Unter anderem erhielt er den bedeutendsten kroatichen Literaturpreis Tin Ujević, Antun Branko Šimić, den Preis für geistliche Literatur Stjepan Kranjčić und für Prosa Dubravko Horvatić. Er wurde auch ausgezeichnet mit den internationalen Preisen Die rote Rose von Elbasan, Ilinden, Vlado Puljić und Fra Martin Nedić. Seine Haiku-Gedichte sin din mehreren Haiku-Anthologien vertreten. Und das japanische staatliche Fernsehen drehte über ihn den Film Auf den Pfaden des kroatischen Haiku. Auβerden wurde Bilosnić die internationale Goldene Plakette für Malerei und Fotografie verliehen. Für sein kunstlerisches und gesellschaftliches Schaffen erhielt er das Wappen der Stadt Zadar, und den Preis von Stadt Zadar, den Preis der Verwaltungs-bezirk Zadar und für sein Lebenswerk den Preis der Stadt Zemunik. Bilosnić lebit und arbeitet in Zadar und Zemunik.

CARLO SARACENI – Die Vision des hl. Franziskus, um 1615
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